Eine von vielen Episoden auf dem Vomperberg
Es war Mitte der sechziger Jahre. Herr Alexander Bernhardt war zwar schon schwer krank, aber er kam trotzdem häufig morgens um 6 Uhr aus seinem Büro auf den Alexanderplatz zum >Appell<, wie die morgendliche Besprechung zum Arbeitseinsatz hieß. Wenn Herr Alexander nicht kommen konnte, übernahm seine Aufgabe zu der Zeit Herr Wuhrmann, der Ehemann der Adoptivtochter Marga von Irmingard Bernhardt. Auch Herr Vollmann war meistens anwesend.
Dort standen in einem Halbkreis im Sommer oft 30 bis 40 Arbeitskräfte und deren Leiter, um die Anweisungen zum täglichen Arbeitseinsatz von Herrn Alexander entgegen zu nehmen. Bevor alle an ihre Arbeit gingen, wurden noch Details besprochen; Herr Alexander war dann schon gegangen. Obwohl vorher alle Anwesenden die Anweisungen von Herrn Alexander ohne Widerspruch angenommen hatten, kam es oft vor, dass alle Anweisungen von Herrn Vollmann oder Herrn Wuhrmann widerrufen wurden mit dem Hinweis darauf, dass die Anweisungen von Herrn Alexander nicht umsetzbar seien, weil er keine Ahnung habe.
Dabei ging es nie um Details sondern vor allem um Grundsatzfragen. Herr Alexander wollte, dass möglichst viel mit Tieren gearbeitet wird, zum Beispiel mit Pferden, während Herr Wuhrmann dafür war, bei der Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft mehr Maschinen einzusetzen.
Da unter den Arbeitern und Angestellten mehr Sympathie für die von Herrn Alexander geprägte Richtung vorhanden war, führte dieser Machtkampf zwischen Herrn Alexander einerseits und Herrn Wuhrmann sowie Herrn Vollmann andererseits zu erheblichen Spannungen, von denen Herr Alexander nichts wusste, weil man ihn aufgrund seines gesundheitlichen Zustands damit nicht belasten wollte.
Als ich diese Situation nicht mehr länger hinnehmen wollte, bat ich Herrn Wuhrmann um ein Gespräch. Wir trafen uns noch am selben Tag abends in seiner Wohnung; ich hatte einen guten Freund mitgenommen, weil ich einen Zeugen für dieses Gespräch haben wollte. Herr Wuhrmann wollte mich offenbar auf seine Seite ziehen. Als er merkte, dass das nicht gelingen wird, wurde er nervös. Er ließ sich dazu hinreißen, zu sagen: "Herr Alexander ist ein Krebsgeschwür auf dem Vomperberg und in der Gralsbewegung."
Am darauffolgenden Tag hatte ich ein Gespräch mit Herrn Alexander und Herrn Vollmann in dieser Angelegenheit, bei dem ich die Situation aus meiner Sicht schilderte und die Aussage von Herrn Wuhrmann zitierte. Herr Wuhrmann wurde dann mit einer sehr großzügigen Abfindung entlassen, mit der er sich in Kanada eine neue Existenz aufbauen konnte. Die ohnehin kaputte Ehe mit der Adoptivtochter von Frl. Irmingard wurde in diesem Zusammenhang geschieden.
Wulf-Dietrich Rose